Venedig ist womöglich die bekannteste Stadt der Welt, was ihrer exzeptionellen Lage und Architektur zu verdanken ist. Aber Millionen Touristen suchen sie Jahr für Jahr heim. Was das für Auswirkungen auf ihre kulturellen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat, belegt seit diesem Herbst ein eindrucksvolles Buch. “Migropolis. Venice/Atlas of a Global Situation” lautet der Titel des im Verlag Hatje Cantz erschienenen zweibändigen Werkes (1344 Seiten, 78 Euro, ISBN 978-3-7757-2485-2). Drei Jahre lang hat Wolfgang Scheppe, Kreativdirektor, Kurator, Philosoph und Professor an der Universität für Architektur in Venedig, zusammen mit seinen Studenten dafür Tausende von Fotos, Essays, Interviews, Statistiken, Bewegungsprofilen und Diagrammen zusammengetragen. Entstanden ist ein Porträt, das die Lagunenstadt aus völlig neuen Blickwinkeln zeigt. Globalisierung sieht in Venedig beispielsweise so aus, dass Tausende gefakter Louis-Vuitton-Taschen und Prada-Brillen von einem Heer illegaler Immigranten aus dem Senegal an moldawische Putzfrauen ebenso wie an chinesische Touristen verkauft werden. Und das in einer Kulisse, die kaum noch von ihrer ursprünglichen Bevölkerung bewohnt wird. Solche Zusammenhänge erklärt die Publikation nicht zuletzt in eindringlichen Fotostrecken, sodass sich der Sehnsuchtsort Venedig in eine von der globalen Ökonomie zerstörte Stadt wandelt.