Bild und Sprache: “Produktionen” in den Kunst-Werken Frankfurter Allgemeine Zeitung: Berliner Seiten 05.06.2002, Nr. 127, S. BS3

Eines der wichtigsten Theoriefelder der Postmoderne betrifft nach wie vor das irreduzible Verhältnis von Bildern und Sprache. Denn weder lassen sich Bilder auf Bedeutung reduzieren, noch beruht Sprache darauf, etwas in der Welt zu repräsentieren. Beide Ausdrucksformen werden permanent von Machtverhältnissen neu aufeinander bezogen und in Spannung gehalten. Vor diesem Hintergrund entfalten die drei Ansätze der Ausstellung “Produktionen”, die der Kurator Anselm Franke für die Kunst- Werke zusammengestellt hat, ihr jeweiliges Potential und demonstrieren, inwiefern Kunst eine wichtige Rolle im Verständnis und der Kritik der Gegenwart spielen kann. Der auf 16 Millimeter gedrehte Film “Revolution Non Stop” von Christoph Schäfer aus Hamburg stützt sich dabei auf eine ironische, zirkuläre Form, die auf der Basis einer Ästhetik der sechziger und siebziger Jahre die gegenwärtigen Veränderungen des öffentlichen städtischen Raums im Verhältnis zu dissidenter, gegenkultureller Praxis durchspielt. Die Akteure, die sich in einer zwanzigminütigen Non-Stop-Schleife durch den Film bewegen, spielen nicht einfach eine Rolle, sondern kommentieren permanent mit Theoriepartikeln das Geschehen. Diese Methode, die ja gerade in Berlin im Zusammenhang mit dem Theater von René Pollesch eine Konjunktur erlebt, will nicht einfach eine Geschichte erzählen, sondern gleichzeitig die Bedingungen zeigen, unter denen sich die Möglichkeiten zu einer bestimmten Wirklichkeit verdichten. Verglichen mit den verspielt-opulenten Bildern und Sprachfetzen des Films, ist das Projekt “Endcommercial” geradezu nüchtern- wissenschaftlich aufgebaut. Florian Böhm und Wolfgang Scheppe, die eigentlich aus der Werbung und Unternehmensberatung kommen, beschäftigen sich in ihrer Zusammenarbeit mit dem Dokumentarfilmer Luca Pizzaroni mit der Möglichkeit, anhand von digitalen Fotografien, die sie zu Zehntausenden vom amerikanischen Straßenleben gemacht haben, die “Lesbarkeit” gesellschaftlicher Strukturen zu rekonstruieren. In einer paradoxen Wendung werden hier an scheinbar nebensächlichen, sich ständig verwandelnden Details des täglichen Lebens auf der Oberfläche der Bilder die permanent wirksamen, juristischen oder ökonomischen Mechanismen aufgefächert, die sonst im verborgenen wirken. Allerdings muß sich der Betrachter selber als Archäologe visueller Details betätigen, um das vor ihm ausgebreitete Puzzle zu entziffern, was ein ziemlich mühsames Unterfangen ist.

Das französische Kollektiv Bureau d’Études wählt in seiner Arbeit “Planet of the Apes” einen quasi umgekehrten Weg. Ihre “Organigramme”, die normalerweise in kleinen Publikationen oder auf Plakate gedruckt sind und für die Ausstellung mit Holztafeln und Klebestreifen auf schwarze Wände übertragen wurden, stellen akribische Untersuchungen internationaler Machtverflechtungen dar. Was man täglich in den Medien unter dem Stichwort Fusionen verfolgen kann und was als Konzentration von Macht allgemein diffus abgelehnt wird, ist hier präzise in ein analytisches Diagramm gebracht.

Aber auch die vielfältigen Aktivitäten, die sich unterhalb der repräsentativen Oberfläche der Medien entfalten und aus Gewohnheit Subkultur genannt werden, finden in geometrischen Geflechten aus Logos und Linien ihren Ausdruck. Im Gegensatz zu den anderen Arbeiten verzichtet das Bureau d’Études auf direkte Abbilder der Wirklichkeit und konzentriert sich ganz auf die Verhältnisse, die zwischen Sprache und Bildern herrschen. Um an die nötigen Informationen über Firmenaktivitäten zu gelangen, werden von den Künstlern auch schon mal kleine Aktienpakete gekauft, die ihnen den Zugang zu internen Informationen ermöglichen. Alle drei Ansätze begnügen sich nicht mit der Herstellung von “objektivem Wissen”, sondern machen sichtbar, durch welche Mechanismen Wissen objektiviert und in Ideologie überführt wird und wie sich dagegen Widerstand ausbreitet.