Die große, über sich selbst hinaus gewachsene Stadt lesbar zu machen ist eines der zentralen Themen der Postmoderne. In EndCommercial haben sich die Fotografen Florian Böhm, Luca Pizzaroni und Wolfgang Scheppe auf äußerst individuelle und faszinierende Weise diesem Komplex am Beispiel New Yorks zugewandt. “End Commercial” steht auf einem Straßenschild, das erst am Ende des Bandes den Titel erklärt: Auf den Seiten davor kommt die soziale, bemalte, versteckte und eben auch kommerzielle Seite der Großstadt beredt zu Wort.

“Reading the City” lautet eines der Kapitel des klug aufgebauten Buches, dessen zu Collagen arrangierte Fotografien in New York geheime Botschaften aufzudecken scheinen wie in der Literatur einst der Detektiv in Paul Austers Mond über Manhattan. Da wird der Fuß einer typischen Polizei-Absperrung zum Buchstaben A, der unterschiedlich drapiert die Straße schmückt und den Blick freigibt auf die soziale US-amerikanische Alltagswelt, ein andermal offenbaren Risse im Gitter das kleine Stück gebauter Natur, das dahinter liegt. Dann wieder werden demolierte und bis auf das Skelett zernagte Fahrräder wie Ready Mades des urbanen Raums auf den Bildern gezeigt, oder die glänzende Oberfläche der Shoppingmalls und Einkaufsstraßen wird mit dem Dreck der Wohnbereiche konfrontiert. Ob bei den blauen Bauplanen, die Teile von Fassaden verdecken, bei verpackten Parkuhren, dem Fotomotiv-Klassiker Graffiti oder bei übermalten Kanaldeckeln, deren über die ganze Stadt verteilten Zeichen sich erstaunlich ähneln: Um unsichtbare Strukturen geht es den Lichtbildnern überall.

All dies zeigt EndCommercial anfangs meist ohne Bewohner, als solle das Urbane zunächst als eigenes Lebewesen sprechen — am Ende runden dann unterschiedliche (Gruppen-)Porträts von New Yorkern das Bild klug ab. Nur erläuternder Text fehlt völlig. Aber die Textur der Großstadt ist ja schließlich auch Sprache genug.