Welches Bild von Tirol ist in unseren Köpfen? Fotografen haben im verschneiten Gebirgsland zeitgemäße und unverkitschte Antworten gesucht Diese leidigen Drahtseile! Einmal hinaufbefördert unter die verschneiten Gipfel, möchte man ein Bild machen. Nicht unbedingt sich ein Bild machen, dafür bräuchte man ja keine Kamera, sondern eines für die im Tal Gebliebenen, um ihnen zu zeigen: Da war ich, in dieser gewaltigen Natur. Und dann ist da das Kabel der Seilbahn, die betonierte Bergstation – und das sieht nicht gut aus. Also rückt man die störenden Gebilde aus dem Display, und es wirkt, als stünde man allein auf dem Berg. Sieben Fotografen machen in „SightSeeing“ nun genau das Gegenteil. Sie rücken all das ins Bild, was gewöhnliche Touristen zwar dauernd wahrnehmen, aber nicht als bildwürdig empfinden: Lifte, Straßen, viele Menschen in sehr bunten Overalls auf sehr kleinem Raum. Schon zum zweiten Mal hat die Tirol-Werbung Fotografen in das viel besuchte und abgebildete Land hinausgeschickt, um auszuloten, ob es jenseits der Ansichtskartenmotive einen lohnenden Blick auf die Gebirgsregion gibt. Beim ersten Mal war es der Sommer, nun sollten Wintermotive gefunden werden. Der Deal: Die Fotografen haben keine strengen Vorgaben, können also sachlich und künstlerisch sein so viel sie wollen, die Tirol-Werbung darf sich dann aus dem Bilderfundus bedienen, um neue, unverbrauchte Werbemotive zu finden. Was im Sommer gut funktioniert und dem ersten Bildband sogar den Deutschen Fotobuchpreis in Gold eingebracht hat, gestaltet sich im Winter schwieriger. Der Schnee deckt manches zu, vor allem aber vereinheitlicht er Orte und Landschaften, sodass vieles, was in dem Buch zu sehen ist, sich stark ähnelt. Das liegt aber auch daran, dass die meisten Fotografen in Skigebieten unterwegs waren, die insgesamt aber nicht einmal ein Prozent der Landesfläche einnehmen. Hier wird zwar ein Großteil des winterlichen Tourismus abgewickelt, aber für ein anderes Bild des winterlichen Tirols wäre es nicht schlecht gewesen, etwas mehr auch in Städte oder in Gebäude hineinzugehen. Der ironische Blick aus dem Fenster einer Gaststube über eine Topfblume auf im Schnee spielende Kinder ist zwar das Titelbild des Buchs, aber gleichzeitig eine der wenigen Innenaufnahmen. An schunkeliger Gemütlichkeit wollten sich die Fotografen augenscheinlich nicht die Finger verbrennen. Wolfgang Scheppe , Herausgeber des Buches und Initiator des zwischen Werbung und Kunst vermittelnden Projektes, geht von der These aus, dass sich Touristen im Urlaub nur Bilder abholen, die sie schon im Kopf haben. So gesehen sind Bilder wie jenes von Alexander Ziegler erfrischend, der ein mit seinen Ponys verschmelzendes Mädchen am Patscherkofel zeigt; oder völlig in ihre Smartphones vertiefte Jungs, die im Ötztal auf einer Betonmauer neben einem Plastik-Alpenmodell sitzen und auf den Skibus warten, fotografiert von Jörg Koopmann. Einige wenige Aufnahmen erhabener Winterlandschaft sind auch dabei, etwa, wenn ein Skitourengeher seine Aufstiegsspur in einen völlig unberührten Hang setzt. Das liege daran, schreibt Wolfgang Scheppe , „dass sich in den äußersten Höhen der Gebirge immer noch ein Raum auftut, den weder die Wirtschaftsinteressen noch ihre Anlagen erreichen konnten“.