[…] Immer wieder steht das Wort »Done« in den Notizbüchern, die John Ruskin in Venedig geführt hat. »Es ist getan«, könnte auch neben den Aufnahmen von Alvio Gavagnin stehen, die der Venezianer aus dem Arbeiterviertel von seiner Stadt gemacht hat. So akribisch wie Ruskin sich um 1850 die Formensprachen der Lagunenstadt als Vorarbeit zu seinem dreibändigen Werk Die Steine von Venedig notierte, so intensiv hat Gavagnin seine Stadt in den Jahren zwischen 1979 und 1987 fotografisch dokumentiert. Ein Alltagsvenedig in Schwarzweiß mit schlichten Kanälen, einfachen Häusern, vom Hochwasser überschwemmten Gassen,Bunkern im Arsenal, Schiffsrümpfen und Hinterhöfen, verfallenden Palästen und flachen Lagunenlandschaften. Vieles völlig unspektakulär, aber erkenntnisreich, dann plötzlich ein Bild wie aus einem Fellini-Film: ein amerikanisches Kriegsschiff vor Reede im dichten Schneetreiben. Im Wechsel mit Gavagnins Fotos stehen die Doppelseiten aus Ruskins Notizbüchern.Alltägliche Studien vor Ort: Vignetten und Buchstaben, gotische Fenster und Bögen, die Vielfalt der Ornamentik inklusive Notizen und Proportionsberechnungen über Gebäudeteile und Hausgrundrisse. Der in Venedig lehrende Philosoph Wolfgang Scheppe hat das Buch als Hebung eines Archivs organisiert, selbst kleinste Notate von Ruskin sind lesbar gemacht. Scheppe zeigt,wie Bildarchive als ein Gedächtnis und als eine Auseinandersetzung mit der Stadt und ihrem gesellschaftlichen Charakter fungieren können. Ein vielfältiges und anschauliches Werk über die Lagunenstadt jenseits touristischer Pfade. In Gegenüberstellung und Kombination stellen sich ständig Entdeckungen ein. Etwa das Relief einer Ratte an einer alten Säule. Dazu heißt es: »Heute ist die Rattenpopulation in Venedig fünfmal größer als die Zahl ihrer Einwohner. […]