Kollateralökonomie Wie diese von außen kommenden Geldflüsse das Funktionieren der Stadt in der Lagune prägen, das hat der in Venedig lehrende Autor und Wissenschaftler Wolfgang Scheppe vor zwei Jahren in seinem 1300 Seiten starken Venedigbuch „Migropolis“ mit hunderten von Bildrecherchen und Diagrammen eindrücklich beschrieben. Während etwa in New York zehnmal mehr Einwohner das gleiche Stück Stadt benutzen wie die Touristen, sind es in Paris nur noch achtmal so viel Einwohner; in Venedig hingegen ist ein nahezu unglaubliches Verhältnis von 1:1,2 erreicht – bei einer immer noch schrumpfenden Einwohnerzahl und einer zunehmenden Zahl an Touristen. An die Stelle der Venezianer sind viele Migranten aus Nordafrika getreten, von denen die Illegalen nur in einer Art „Kollateralökonomie“ – hier ist der militärische Namenszusatz angebracht – einen minimalen wirtschaftlichen Zugang zu den Touristen haben. Der öffentliche Raum zwischen den Häusern ist ihre einzige Chance, ökonomisch zu partizipie-ren – ständig auf der Flucht vor der Polizei. Scheppe blickt mit seiner Forschungsgruppe am IUAV hinter die Kulissen der Serenissima und sieht eine anonyme Migropolis am Werk, in der sich Europa als hermetische Frontstadt zeigt, und in der die Migranten aus den Mittelmeerländern, ständig auf der Flucht, mit militärischen Mitteln überwacht und kriminalisiert werden.