• Inwiefern kann eine spätere Buchveröffentlichung die Recherche leiten?

Das scheint mir – jedenfalls für meine Arbeit – eine tautologische Frage zu sein: Die Forschungsarbeit galt in jedem Fall ja einzig dem Darstellungsmedium des Buchs, das meine Werkform ist. Ausstellungen sind immer davon abgeleitete Repräsentationen desselben Inhalts, und auch diese waren in der Vergangenheit gewöhnlich dem Versuch unterworfen, Elemente der diskursiven Linearität des Buchs in die nicht-diskursive, der Räumlichkeit geschuldeten Gleichzeitigkeit der Ausstellung zu übertragen. (Siehe etwa das raumgrosse “exploded book” in den “Endcommercial” Ausstellungen in Berlin, New York, München und Rom.)

  • Können Sie den Prozess der Buchgestaltung in Phasen unterteilen?

Da die Form notwendig vom Inhalt bestimmt ist, gibt es keine vom bestimmten Gegenstand ablösbare Methode, die sich generisch auf verschiedene Gegenstände applizieren liesse. Deshalb lassen sich auch keine heuristischen Verfahren beschreiben, die getrennt von den Projekten Gültigkeit hätten.

  • Können Sie diesen Prozess beschreiben? Wie sind Recherche, Forschung, Buchgestaltung miteinander verflochten?

Gestaltung ist bei meinen Büchern eine Entwicklung der Bestimmungen des Gegenstandes entlang seiner logischen Struktur. Das wird etwa in “Endcommercial” besonders deutlich, einem Buch, in dem der einzig sprachlich operierende Teil in der Logik der Taxonomie liegt - aber auch in “Migropolis” und dem “Done-Book” ist das offenkundig. Insofern ist die Organisation des Inhalts, wie sie sich in den Mitteln des Buches ergibt, auch die intrinsische Organisation des sich entwickelnden Begriffs. Mindestens im Falle des Gelingens gleichen sich der Aubau des Buchs und der der Sache notwendig. Der Begriff besteht ja nur im Begreifen.

  • Wie organisieren Ihre Bücher Wissen? Welcher Vorstellung von Wissen liegen die Bücher (oder vielmehr die Gestaltung der Bücher) zugrunde?

Die Frage ist ein wenig zu abstrakt allgemein, um wirklich nützlich zu sein. Die Partikularität meiner Bücher, die dazu führt, dass Fragen zur Transversalität von Kunst und Wissenschaft überhaupt auftauchen, besteht darin, dass ihr Erkenntnisinteresse gewöhnlich zwei in jeder Hinsicht distinkten Gegenständen gewidmet ist. Das verträgt sich nicht mit der Rationalität im Prozedere normaler Wissenschaft, wo Ähnliches sich des Fehlers der Äquivokation etc. schuldig machen würde. In “Migropolis” etwa ist der offenkundige Gegenstand der Untersuchung der der Globalisierung. Zugleich aber werden im Verfolg dieser Sache Bilder herangezogen, die sich selbst als Erkenntnismittel zu befragen, und das vor allem deswegen, weil das zeitgenössische ideologische Wissen zur Globalisierung vor allem über ein Bildprogramm vermittelt ist. Auf einer höheren Ordnung hat also “Migropolis” einen bildtheoretischen Gegenstand, der in der Selbstreferentialität des visuellen Verfahrens liegt, das meistens im Text konterkariert oder in Frage gestellt wird. Eine meiner Grundfragen auf dieser Ebene ist die nach der Möglichkeit des kognitiven Bildes. Liegen mit Bildern Elemente der Vernunft und des Wissens vor, oder ist das Bild (also auch die Grafik, Mind-Maps oder alle Formen der Datenvisualisierung) notwendig ein Instrument der Rhetorik der Plausibilisierung, also vergegenständlichte Ideologie. Hegels Auffassung des Sehens als eine Form des Geistes statt einer Sensorik sinnlicher Singularität oder John Ruskins Erkenntnis-Optimismus der visuellen Repräsentation sind für diese Überlegungen ebenso grundlegend wie umgekehrt die Kritik der gesellschaftlichen Episteme des Bildes als falscher Gewissheit von Präsenz, wie sie sich in der Nachfolge Debords entwickelte.

  • Welche Momente der Übertragung oder des Transfers von Wissen vollziehen sich Ihrer Meinung nach bei der Gestaltung von Büchern?

Ich bin der oben bereits anklingenden Auffassung, dass es ein Fehler jeder Didaktik ist, die Vermittlung der Sache methodisch von der Einsichtnahme in ihre Natur trennen zu wollen. Man kann die Richtigkeit der Erklärung einer Sache nicht sinnvoll als absolute Vermittlungsproblematik besprechen.

  • Welches spezifische Wissen wird mit der Gestaltung von Büchern produziert (z.B. in Migropolis)?

Wissen ist der korrekt abgeleitete Gegenstand. Die Wahrheitsfunktionalität von Schlüssen und Urteilen, die Wissen machen, lässt keinen Plural zu: Es gibt keine Pluralität “spezifischen Wissens”. Es gibt richtige und falsche Bestimmungen des besonderen Objekts der Erkenntnis. Wissen besteht darin, die ersteren als Begründungszusammenhang zu fassen.

  • Wo würden Sie Ihre Buchgestaltung ansiedeln: Eher in der Kunst, also frei von epistemischen Verpflichtungen, oder in der Wissenschaft? Oder sind das die falschen Kategorien?

Ich bin von der Historizität von Kunst überzeugt. Auch das – die notwendige Verflüchtigung des Sinnlichen der Kunst in ein sie zersetzendes Geistiges, das einer auf Technik und Industrie basierten Gesellschaft entspricht – ist eine Einsicht, die auf Hegel zurückgeht. Ich bin insbesondere davon überzeugt, dass mit dem Praktizieren eines negativen Selbstbezugs von Kunst auf sich selbst, wie es die letzten Avantgarden (insbesondere der Futurismus, der Dadaismus, der Lettrismus und schliesslich der Situationismus) und vor allem Duchamp und Debord betrieben haben, die logische Geschichte der Kunst als abgeschlossen zu gelten hat. Den negativen Selbstbezug in eine prosperierende Verlaufsform zu bringen, ist ein matter Widerspruch, der den Kategorienfehler der aktuellen Kunstmarkt-Kunst als Muster begleitet. Nach dem Reüssieren von Anti-Kunst als Kunst scheint mir nur ein Tabu noch geblieben zu sein: Kunst, die auf die Prätention von Bedeutung durch Verfahren des Impliziten oder der blossen Behauptung des Implitziten Verzicht tut, um sich der sonst in ihr peinlich vermiedenen Explizitheit des Urteilens zu bedienen.

  • Sehen Sie die Buchgestaltung als Synthese von Kunst und Wissenschaft oder als Ort, wo die Differenz zwischen den beiden Systemen nur scheinbar aufgelöst wird, um eine Vermittlungsleistung zu vollbringen?

In der letzten Antwort ist das bereits gesagt: Die letzte Stufe der Entsinnlichung von Kunst ist ihr Übergang zur Wissenschaft, zum positiven Wissen der geschichtlichen Gesellschaft, die sie als sich entwickelnden Widerspruch hervorgebracht und beendet hat.

  • Ist Buchgestaltung überhaupt vordringlich eine Vermittlung von Wissen?

Für mich ist sie das. Gesellschaftlich kommt sie freilich nur arbeitsteilig zustande – und eben nicht als “Künstlerbuch”, wie der einzige Terminus für den exotischen Fall lautet, da der Autor des Inhalts und der Autor der Form zusammenfallen) – und fungiert als etwas völlig anderes: als Marketing-Instrument. Vielleicht ist deshalb die Rede von der Buchgestaltung für den Fall auktorialer Kontinuität sogar eine missverständliche Bezeichnung.

  • Welchen Einfluss nehmen die Darstellungsmöglichkeiten des Internets auf die moderne Buchgestaltung?

Migropolis war vermutlich das erste in Buchform publizierte wissenschaftliche Projekt dieser Grössenordnung, das auf Grundlage einer internetbasierten sehr leistungsfähigen CMS entstanden ist. Die Eigenschaften des Backend sind auch noch im Layout, in der Argumentationsweise, in den Hyperlinks und dem Charakter dezentraler Verknüpfungen (“distributed networks”) erhalten geblieben.

  • Wie affiziert das Internet das Lese und Schreibverhalten sowie die Erkenntnisaufnahme und Wissensverwaltung?

Internetgestützte Datenerhebung und elektronische Datenverwaltung haben naturgemäss bei der Bewältigung von Komplexität (und tatsächlich ist zu zeigen, dass Komplexität eine bestimmte Eigenschaft von Gegenständen wie der Globalisierung darstellt) gegenüber analogen Verfahren der Vergangenheit einen qualitativen Sprung ermöglicht. Am einfachsten sichtbar wird dies bei der Bildproduktion und Bildverwaltung, die eine grosse Rolle bei meinen Projekten spielen. Nur mit digitalen Produktionsverfahren sind Archive mit mehr als 100.000 Bildern als Argumentationsbestandteile zu bewältigen, wie das in “Endcommercial”, “Migropolis” und dem “Done-Book” geschah.